Beweislast – Behauptung, dass die Marke aufgrund der Untätigkeit des Inhabers zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist – Geringe Beweiskraft von Online-Nachweisen – Bestätigung der Entscheidung – Zurückweisung des Antrags auf Erklärung des Verfalls
Die Beschwerdekammer weist den Antrag auf Erklärung des Verfalls der angefochtenen Wort-EU-Marke „Shavette“ zurück, die für Waren wie Rasierapparate oder Rasierpinsel der Klassen 8 und 21 eingetragen ist.
Die Antragstellerin berief sich auf Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b) EUMV und machte geltend, dass die EU-Marke im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden sei, was auf die Untätigkeit des Inhabers der EU-Marke zurückzuführen sei.
Entgegen den Behauptungen des Anmelders stellt die Kammer jedoch fest, dass der Inhaber der EU-Marke nachgewiesen hat, dass er angemessene Anstrengungen unternommen hat, um die angefochtene EU-Marke als eingetragene Marke zu schützen, während die vom Anmelder vorgelegten Beweise insgesamt nicht ausreichen, um den Verlust der Unterscheidungskraft der angefochtenen EU-Marke aufgrund von Handlungen oder Untätigkeit des Inhabers der EU-Marke nachzuweisen (§§ 81, 85).
Hätte der Inhaber der EU-Marke die beschreibende Verwendung durch seine Konkurrenten, Verkäufer und Vertreiber erlaubt, dann hätte es der Eintrag für den Begriff „Shavette“ aufgrund seines langjährigen Charakters sicherlich in ein offizielles Wörterbuch in der EU geschafft. Die angefochtene EU-Marke wird jedoch in keinem offiziellen Wörterbuch erwähnt (§ 52-53, 57). Darüber hinaus haben die Einträge in Wikipedia und in der Online-Bibliothek Shavelibrary.com, auf die sich die Klägerin zur Untermauerung ihrer Behauptungen beruft, nur einen geringen Beweiswert, da sie jederzeit und von jedem Besucher, auch anonym, geändert werden können und in bestimmten Fällen eine solche Feststellung auf Informationen beruht, denen es an Sicherheit mangelt (§ 57-58).
Die dem Inhaber der EU-Marke auferlegte Beweislast darf nicht unangemessen sein. Wenn von Unternehmen, insbesondere von solchen mit begrenzten Ressourcen, erwartet würde, dass sie jede einzelne Gattungsbezeichnung für ihre Waren im Internet aufspüren und anfechten, würden sie diskriminiert werden. Eine solche Anforderung würde den Inhaber einer EU-Marke in unangemessener Weise belasten und die Gefahr des Missbrauchs durch Wettbewerber und Dritte, die an einer eingetragenen Marke interessiert sind, mit sich bringen. Angemessene Anstrengungen müssen unternommen werden, um eine eingetragene Marke davor zu schützen, dass andere sie als Gattungsbezeichnung behandeln; allerdings kann von keiner Partei vernünftigerweise erwartet werden, dass sie jeden Missbrauch aufspürt und verfolgt (§ 72-74).
Die dargestellte Wort-/Bildmarke ist das jüngste Mitglied im Markenportfolio der Bundesrepublik Deutschland. Am 29.10.2024 wurde die Marke vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beim Europäischen Markenamt EUIPO angemeldet.
Beansprucht wird der Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 41 und 42 .
Nachdem die Widerspruchsführerin Widerspruch gegen das angefochtene Zeichen „TERTIANUM“ eingelegt hatte, wurde sie aufgefordert, den Nachweis der Benutzung ihrer älteren Marke zu erbringen. Diese ältere Marke war u. a. für die geschäftliche und kommerzielle Verwaltung von Einrichtungen eingetragen, nämlich für die Verwaltung von Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegesektors, insbesondere für Altenheime in Klasse 35.
Die Benutzungsnachweise zeigten jedoch, dass die Marke für den Betrieb von Altenheimen zugunsten von Endverbrauchern, nämlich den Kunden dieser Heime, benutzt worden war.
Das Gericht stellt fest, dass die Benutzung für den tatsächlichen Betrieb von Altersheimen keine Benutzung im Zusammenhang mit den eingetragenen Verwaltungsdienstleistungen der Klasse 35 darstellt. Zur Bestimmung des Umfangs der Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, ist auf die übliche und gewöhnliche Bedeutung des Begriffs der geschäftlichen und kommerziellen Verwaltung von Einrichtungen abzustellen. Seine wörtliche Bedeutung beziehe sich auf Dienstleistungen, die für Unternehmen erbracht würden, um sie bei der Führung ihrer Geschäfte zu unterstützen. Dieser Begriff umfasst nicht den Betrieb eines eigenen Unternehmens (§ 50, 55-57).
Die GC fügt hinzu, dass diese wörtliche Auslegung durch die Nizza-Klassifikation gestützt wird. Zur Relevanz dieser Klassifikation weist der Generalanwalt darauf hin, dass die Nizzaer Klassifikation zwar rein administrativen Charakter habe, dass sie aber herangezogen werden müsse, um gegebenenfalls den Bereich oder die Bedeutung der Waren und Dienstleistungen, für die eine Marke eingetragen worden sei, zu bestimmen. Insbesondere dann, wenn die Beschreibung der Waren und Dienstleistungen, für die eine Marke eingetragen ist, so allgemein gehalten ist, dass sie sehr unterschiedliche Waren und Dienstleistungen umfassen kann, ist es möglich, zu Auslegungszwecken oder als genaue Angabe der Bezeichnung der Waren und Dienstleistungen die Klassen der Klassifikation zu berücksichtigen, die der Markeninhaber gewählt hat (§ 64-68).
Aus der Klassifikation, der Erläuterung zu Klasse 35 und dem Wortsinn der Begriffe ergibt sich, dass sich die Verwaltungsdienstleistungen der Klasse 35 nicht an Endverbraucher, sondern an Unternehmen richten, die Altenheime betreiben (§ 70-71). Die Widersprechende hat daher nicht nachgewiesen, dass die ältere Marke für die eingetragenen Verwaltungsdienstleistungen benutzt wurde.