Rechtssache C?246/05
„Markenrecht – Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG – Keine ernsthafte Benutzung der Marke – Begriff ‚Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens‘“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
10 Lidl ist Inhaberin der internationalen Wortbildmarke Le Chef DE CUISINE. Die deutsche Basismarke ist seit dem 8. Juli 1993 geschützt, die – auch für Österreich registrierte – internationale Marke seit dem 12. Oktober 1993. Letztere wurde vom Internationalen Büro am 2. Dezember 1993 veröffentlicht und den designierten Vertragsstaaten notifiziert.
11 Lidl betreibt eine Supermarktkette, die in Deutschland seit 1973 besteht. In Österreich wurde der erste Lidl-Supermarkt am 5. November 1998 eröffnet. Lidl vertreibt die mit der Marke Le Chef DE CUISINE versehenen Fertiggerichte nur in ihren eigenen Geschäften. Vor Eröffnung ihrer ersten österreichischen Supermärkte hatte Lidl die Gestaltung der Produkte unternehmensintern vorbesprochen und mit ihren Lieferanten abgestimmt sowie bereits gelieferte Produkte gelagert.
12 Am 13. Oktober 1998 beantragte Herr Häupl, die Marke gemäß § 33a Abs. 1 MSchG für das Gebiet der Republik Österreich wegen Nichtgebrauchs zu löschen. Die in der genannten Bestimmung vorgesehene Fünfjahresfrist habe mit Schutzdauerbeginn am 12. Oktober 1993 zu laufen begonnen. Lidl wandte sich gegen den Löschungsantrag. Sie machte geltend, Fristbeginn sei der 2. Dezember 1993, so dass die Fünfjahresfrist erst am 2. Dezember 1998 geendet habe. Zu diesem Zeitpunkt habe sie mit der fraglichen Marke versehene Produkte in ihrem ersten österreichischen Supermarkt zum Verkauf angeboten. Schon 1994 sei an eine Expansion nach Österreich gedacht worden, die Eröffnung neuer Märkte in diesem Mitgliedstaat habe sich aber durch „bürokratische Hindernisse“, insbesondere durch die verspätete Erteilung von Betriebsbewilligungen, verzögert.
13 Die Nichtigkeitsabteilung des Patentamts erklärte die Marke mit Wirkung vom 12. Oktober 1998 für in Österreich unwirksam. Lidl erhob dagegen Berufung an den Obersten Patent- und Markensenat.
14 In diesem Zusammenhang hat der Oberste Patent- und Markensenat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass mit „Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens“ der Beginn der Schutzdauer gemeint ist?
2. Ist Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke vorliegen, wenn sich die Umsetzung der vom Markeninhaber verfolgten Unternehmensstrategie durch unternehmensexterne Gründe verzögert, oder ist der Markeninhaber gehalten, seine Unternehmensstrategie zu ändern, um die Marke rechtzeitig nutzen zu können?
[…] Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Der „Tag des Abschlusses des Eintragungsverfahrens“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist in jedem Mitgliedstaat entsprechend den dort geltenden Verfahrensvorschriften für die Eintragung zu bestimmen.
2. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 ist dahin auszulegen, dass Hindernisse, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen, ihre Benutzung unmöglich oder unzumutbar machen und vom Willen des Markeninhabers unabhängig sind, „berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung“ einer Marke darstellen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens im Licht dieser Hinweise zu beurteilen.
Quelle: Curia.eu