Von RA Karsten Prehm
Auch eine prioritätsältere Top-Level-Domain .de kann durch später (danach) begründete Firmenkennzeichen-, Marken- oder Namensrechte überholt werden. Der ehemals berechtigte Domaininhaber kann dann zum Nichtberechtigten werden, wenn er nach der Entstehung der Kennzeichen- oder Namensrechte Dritter seine Domain erstmalig in deren Geschäftsbereich selbst einschlägig nutzt. Bei bloßer Registrierung und zwischenzeitlicher Nichtbenutzung der Domain ist eine Rechtsverletzung nicht zwangsweise gegeben. Es hat in diesen Fällen eine Interessenabwägung zu erfolgen.
Der BGH hatte in dieser Domainstreitigkeit den in der Praxis häufig auftreten Fall zu entscheiden, dass eine ehemals rechtmäßig erfolgte Domainregistrierung und im Anschluss darauf nicht erfolgter geschäftlicher Nutzung aufgrund eines später entstandenen Kennzeichenrechts angegriffen wurde, bzw. der Kennzeichenrechtsinhaber über den Folgenbeseitigungsanspruch die Löschung der Domain herbeiführen wollte.
In dieser Sache wurde das Berufungsurteil aufgehoben und zur weiteren Aufklärung bzw. erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im Rahmen dieser Entscheidung wiederholte und vertiefte der Senat jedoch seine Rechtsauffassungen:
1. „Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit Namensfunktion sowohl ein Kennzeichenrecht aus §§ 5, 15 MarkenG als auch ein Namensrecht aus § 12 BGB zu. Der Kennzeichenschutz aus §§ 5, 15 MarkenG verdrängt in seinem Anwendungsbereich zwar den Namensschutz aus § 12 BGB. Die Bestimmung des § 12 BGB bleibt jedoch anwendbar, wenn der Funktionsbereich des Unternehmens ausnahmsweise durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt wird. So verhält es sich, wenn die Unternehmensbezeichnung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr verwendet wird. In diesen Fällen kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden, die nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, GRUR 2005, 430 f. = WRP 2005, 488 – mho.de).“
2. „Diese Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit des § 12 BGB sind im Streitfall erfüllt, weil der Beklagte den streitbefangenen Domainnamen „Afilias“ nicht im geschäftlichen Verkehr verwendet.
Für das Handeln im geschäftlichen Verkehr kommt es auf die erkennbar nach außen tretende Zielrichtung des Handelnden an. Dient das Verhalten nicht der Förderung der eigenen oder einer fremden erwerbswirtschaftlichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit, scheidet ein Handeln im geschäftlichen Verkehr aus. Das Verhalten ist dann ausschließlich dem privaten Bereich außerhalb von Erwerb und Berufsausübung zuzurechnen (BGHZ 149, 191, 197 – shell.de). Auch bei einem Domainnamen genügt nicht die bloße Vermutung; vielmehr bedarf es einer positiven Feststellung, dass er im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wobei im Zweifel von einer rein privaten Nutzung auszugehen ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., Nach § 15 Rdn. 87; a.A. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 3 Rdn. 328).“
3. „Der Beklagte hat den streitbefangenen Namen, nachdem die Klägerin daran im Mai 2001 Kennzeichenschutz erlangt hatte, dadurch gebraucht, dass er ihn als Domainnamen registriert hielt. Grundsätzlich liegt schon in dem Registrieren eines Domainnamens und dem Aufrechterhalten dieser Registrierung ein Namens-gebrauch. Denn der berechtigte Namensträger wird bereits dadurch, dass ein Dritter den Namen als Domainnamen unter einer bestimmten Top-Level-Domain registriert und registriert hält, von der eigenen Nutzung des Namens als Domainname unter dieser Top-Level-Domain ausgeschlossen (vgl. BGHZ 149, 191, 199 – shell.de; 155, 273, 276 f. – maxem.de).“
4. „Der Beklagte hat den Namen der Klägerin unbefugt gebraucht. Der Gebrauch eines Namens ist unbefugt, wenn dem Verwender keine eigenen Rechte an diesem Namen zustehen (BGHZ 155, 273, 277 – maxem.de). Der Beklagte hatte im Mai 2001 keine Rechte an der streitbefangenen Bezeichnung, die er der Klägerin hätte entgegenhalten können.
Der Beklagte hat dadurch, dass er die streitbefangene Bezeichnung im Oktober 2000 für sich als Domainnamen registrieren ließ, kein gegenüber der Klägerin wirkendes Recht an dem Domainnamen erlangt. Der Eintrag eines Domainnamens ist nicht wie ein absolutes Recht einer bestimmten Person zugewiesen (BGHZ 149, 191, 205 – shell.de). Durch die Registrierung eines Domainnamens erwirbt der Inhaber der Internet-Adresse weder das Eigentum an dem Domainnamen selbst noch ein sonstiges absolutes Recht, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre (BVerfG, Kammerbeschl. v. 24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 m.w.N.; Bornkamm in Festschrift für Schilling, 2007, S. 31, 38 f.; a.A. OLG Köln GRUR-RR 2006, 267, 268).
Auch durch Nutzung des Domainnamens hat der Beklagte kein Recht an der Bezeichnung erworben. Durch die Benutzung eines Domainnamens kann zwar grundsätzlich ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen erworben werden; dies setzt allerdings voraus, dass der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt (vgl. BGH, Urt. v. 22.7.2004 – I ZR 135/01, GRUR 2005, 262, 263 = WRP 2005, 338 – soco.de; Urt. v. 24.2.2005 – I ZR 161/02, GRUR 2005, 871, 873 – Seicom). Dies ist hier nicht der Fall. Der Beklagte hat den Domainnamen nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht als Hinweis auf einen Geschäftsbetrieb verwendet.“
5. „Der unbefugte Namensgebrauch hat schließlich zu einer Zuordnungsverwirrung und einer Verletzung schutzwürdiger Interessen der Klägerin geführt.
Verwendet ein Dritter einen fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internet-Adresse, tritt eine Zuordnungsverwirrung ein, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internet-Adresse einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Internet-Auftritts sieht. Wird der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domain-Name unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de” registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse nur einmal vergeben werden kann (BGHZ 149, 191, 199 – shell.de; 155, 273, 276 f. – maxem.de; 171, 104 Tz. 11 – grundke.de).
Einer erheblichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin steht, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, im Streitfall nicht entgegen, dass die Klägerin unter der Top-Level-Domain „.info“ im Internet erreichbar ist. Der Verkehr erwartet, dass Unternehmen, die – wie die Klägerin – auf dem deutschen Markt tätig und im Internet präsent sind, unter der mit ihrem eigenen Namen als Second-Level-Domain und der Top-Level-Domain „.de“ gebildeten Internet-Adresse auf einfache Weise aufgefunden werden können (vgl. BGHZ 149, 191, 201 – shell.de).“
6. „Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die bei Namensrechtsverletzungen gebotene Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis führt. Der Nichtberechtigte kann zwar in der Regel nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären (BGH GRUR 2005, 430, 431 – mho.de). Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen. Ob deren Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, kann aufgrund der vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.
Eine erste Ausnahme muss für den Fall gemacht werden, dass die Registrierung des Domainnamens durch den Nichtberechtigten nur der erste Schritt im Zuge der – für sich genommen rechtlich unbedenklichen – Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es der Inhaber eines identischen Unternehmenskennzeichens im Allgemeinen nicht verhindern kann, dass in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden, muss auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspricht, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führt die gebotene Interessenabwägung dazu, dass eine der Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als Namensanmaßung und damit als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen ist (BGH GRUR 2005, 430, 431 – mho.de).“
7. „Eine weitere Ausnahme kann in dem – hier gegebenen – Fall geboten sein, dass das Kennzeichen- bzw. Namensrecht des Berechtigten erst nach der Registrierung des Domainnamens durch den Domaininhaber entstanden ist.
Der gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts, nach der es für den Anspruch des Berechtigten gegen den Domaininhaber wegen Verletzung des Namensrechts nicht von Bedeutung ist, ob der Berechtigte das Namensrecht erst nach der Registrierung des Domainnamens erworben hat, kann nicht beigetreten werden. Allerdings wird die Ansicht vertreten, der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens könne gegenüber jedem, der einen mit seinem Unternehmenskennzeichen übereinstimmenden Domainnamen für private oder sonstige außergeschäftliche Zwecke benutze und sich nicht auf ein Kennzeichen- oder Namensrecht an dem Domainnamen berufen könne, nach § 12 BGB Unterlassungs- und Löschungsansprüche geltend machen, selbst wenn die Registrierung des Domainnamens vor der Entstehung des Unternehmenskennzeichens erfolgt sei (Bettinger aaO Rdn. DE 403 und 370 sowie – zur Marke – DE 128 und 124; ebenso Bröcher, MMR 2005, 203, 206 f.). Dies wird damit begründet, dass allein durch die Registrierung kein absolutes Recht an dem Domainnamen entstehe.
Die Revision macht demgegenüber zu Recht geltend, dass die Registrierung eines zum Zeitpunkt der Registrierung in keinerlei Rechte eingreifenden Domainnamens im Hinblick auf die eigentumsfähige, nach Art. 14 GG geschützte Position des Domaininhabers nicht ohne weiteres wegen später entstandener Namensrechte als unrechtmäßige Namensanmaßung qualifiziert werden kann (vgl. LG München I MMR 2004, 771, 772). Auch wenn der Domaininhaber durch die Registrierung kein absolutes Recht an dem Domainnamen erwirbt, begründet der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle doch ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht, das dem Inhaber des Domainnamens ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie das Eigentum an einer Sache (BVerfG GRUR 2005, 261). Es begegnet zwar keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass derjenige, der durch die Registrierung eines Domainnamens bereits bestehende Kennzeichen- oder Namensrechte verletzt, zur Beseitigung der Störung verpflichtet ist (vgl. BVerfG GRUR 2005, 261 f.). Anders verhält es sich aber, wenn das Namensrecht erst nach der Registrierung entsteht. In einem solchen Fall setzt sich das Namensrecht des Berechtigten nicht ohne weiteres gegenüber dem Nutzungsrecht des Domaininhabers durch; vielmehr ist eine Abwägung der betroffenen Interessen geboten.
Dabei wird sich der Dritte, der den Domainnamen als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, regelmäßig nicht auf ein schutzwürdiges Interesse berufen können. Er kann vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte, unschwer prüfen, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist; ist der gewünschte Domainname bereits vergeben, wird es ihm oft möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen. Die Interessenabwägung geht dann in aller Regel zugunsten des Domaininhabers aus. Anders verhält es sich allerdings, wenn es dem Domaininhaber wegen Rechtsmissbrauchs versagt ist, sich auf seine Rechte aus der Registrierung des Domainnamens zu berufen. So verhält es sich insbesondere dann, wenn der Domaininhaber den Domainnamen ohne ernsthaften Benutzungswillen in der Absicht registrieren ließ, sich diesen von dem Inhaber eines entsprechenden Kennzeichen- oder Namensrechts abkaufen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997 – I ZR 95/95, GRUR 1998, 412, 414 = WRP 1998, 373 – Analgin; Urt. v. 19.2.1998 – I ZR 138/95, GRUR 1998, 1034, 1036 f. = WRP 1998, 978 – Makalu; Urt. v. 23.11.2000 – I ZR 93/98, GRUR 2001, 242, 244 = WRP 2001, 160 – Classe E; Beschl. v. 30.10.2003 – I ZB 9/01, GRUR 2004, 510, 511 = WRP 2004, 766 – S100; OLG Hamm MMR 2005, 377, 382 f.).
Fazit:
Domainhändler und Domaingrabber, die bisher glaubten, dass das bloße Registrierthalten einer .de-Domain mangels Nutzung im geschäftlichen Verkehr einen ausreichenden Schutz vor Kennzeichenrechtsinhabern liefern würde, wird dieses Urteil einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen, da laut BGH nunmehr regelmäßig von Rechtsmissbrauch ausgegangen werden kann.
Allerdings können gegenüber der Domainregistrierung prioritätsjüngere Kennzeichen- oder Namensrechtsinhaber sich nicht per se darauf verlassen, dass ein Domaininhaber einer bisher nicht geschäftlich genutzten Domain diese unter allen Umständen zur Löschung freigeben müssen. Hier wird regelmäßig eine Interessenabwägung stattzufinden haben.
Diejenigen, die eine ehemals rechtmäßig registrierte Domain nach einer nicht nur unerheblichen Dauer des bloßen Registrierthaltens im Nachhinein geschäftlich nutzen wollen, sollten sich vergewissern, dass in diesem Geschäftsbereich nicht zwischenzeitlich Kennzeichenrechte Dritter Einzug gehalten haben, da die bloße Registrierung einer Domain keinerlei Prioritätsrechte vermittelt. Ihre Domain wäre sozusagen durch ein Kennzeichenrecht (Firmenkennzeichen, Markenrecht) überholt worden.
Die Entscheidung im Volltext finden Sie hier.